Mit Borderlands 3 kehrt Gearbox Software nach einer gefühlten Ewigkeit zu ihrer erfolgreichsten Marke zurück. Seit dem Release von Borderlands 2 im Jahr 2012 (und dem etwas schwächeren Borderlands: The Pre-Sequel von 2014) haben Fans sehnsüchtig auf die Fortsetzung der chaotischen Looter-Shooter-Serie gewartet. Sieben Jahre Entwicklungszeit – das ist selbst für heutige Verhältnisse eine sehr lange Zeit, in der die Konkurrenz mit Destiny, The Division und anderen Genre-Vertretern nicht geschlafen hat.
Entsprechend hoch waren die Erwartungen an das neue Werk von Gearbox, zumal das Studio in der Zwischenzeit mit weniger erfolgreichen Projekten wie Battleborn eher negative Schlagzeilen machte. Die Entscheidung, Borderlands 3 zunächst exklusiv über den Epic Games Store zu veröffentlichen, sorgte bereits im Vorfeld für reichlich Diskussionen. Aber kann das neue Borderlands nach der langen Wartezeit die hohen Erwartungen erfüllen?
Story: Calypso Twins statt Handsome Jack
Endlich verlassen wir Pandora – zumindest teilweise. Borderlands 3 führt uns auf verschiedene Welten und erweitert damit das Universum erheblich. Als Vault Hunter stehen wir diesmal den Calypso Twins gegenüber, Troy und Tyreen, die sich als selbsternannte Götter einer neuen Generation aufspielen. Die beiden Antagonisten verfügen über eine massive Anhängerschaft in den sozialen Medien und wollen alle Vaults im Universum öffnen, um sich die ultimative Macht zu sichern. Ihre „Children of the Vault“ fungieren dabei als fanatische Anhänger, die live per Stream dabei zusehen, wie ihre Anführer Chaos und Verwüstung anrichten.
Alte Bekannte und neue Gesichter
Die Geschichte spielt einige Jahre nach den Ereignissen von Borderlands 2 und bringt sowohl alte Bekannte als auch neue Gesichter zusammen. Lilith, die wir bereits aus dem ersten Borderlands kennen, fungiert als eine Art Anführerin der Crimson Raiders, während Charaktere wie Tannis (hervorragend synchronisiert von Arianne Borbach), Marcus und Moxxi ihre gewohnten Rollen übernehmen.
Leider muss man aber auch sagen, dass die Geschichte diesmal nicht ganz so packend und vor allem nicht so witzig daherkommt wie noch in Borderlands 2. Während Handsome Jack noch ein brillanter, vielschichtiger Antagonist war, wirken die Calypso Twins eher wie eine etwas überzogene Parodie auf die heutige Influencer-Kultur. Ihre ständigen Livestream-Einlagen und das forcierte „Millennial-Gehabe“ nerven bereits nach wenigen Stunden.
Grafik: Cell-Shading in der Unreal Engine 4
Borderlands 3 setzt weiterhin auf den charakteristischen Cell-Shading-Stil der Serie, verfeinert diesen aber erheblich. Die Unreal Engine 4 als technische Basis ermöglicht deutlich detailliertere Texturen, bessere Lichteffekte und vor allem spektakuläre Partikelexplosionen.
Vier abwechslungsreiche Planeten
Die verschiedenen Planeten – von der uns bekannten Wüstenwelt Pandora über das sumpfige Eden-6 bis hin zur Hightech-Metropole Promethea – sind alle liebevoll und abwechslungsreich gestaltet. Jede Welt hat ihren eigenen Charakter und bietet genug optische Abwechslung, um die etwa 25-30 Stunden Spielzeit interessant zu halten.
Besonders beeindruckend sind die Lichteffekte bei den diversen Elementar-Attacken. Wenn ein Gegner von Säure zerfressen oder von Elektrizität gegrillt wird, sieht das nicht nur spektakulär aus, sondern hilft auch spielerisch bei der Orientierung.
Performance-Probleme auf Konsolen
Allerdings muss man auch erwähnen, dass das Spiel auf Konsolen nicht ganz die Performance bietet, die man sich gewünscht hätte. Auf der Standard PlayStation 4 kommt es gerade bei hektischen Kämpfen zu deutlichen Framedrops. Die PlayStation 4 Pro und Xbox One X laufen deutlich stabiler, können aber auch nicht durchgehend die angestrebten 60 FPS halten. Besonders ärgerlich sind die Performance-Probleme im Split-Screen-Modus, der bei vier Spielern teilweise nahezu unspielbar wird.
Sound: Jesper Kyd und prominente Synchronsprecher
Audiovisuell bietet Borderlands 3 gewohnt starke Kost. Der Soundtrack, komponiert von Jesper Kyd (bekannt durch seine Arbeit an der Assassin’s Creed-Serie), Michael McCann und Finishing Move Inc., unterstreicht die chaotische Action perfekt. Die Waffengeräusche sind allesamt sehr satt und unterscheiden sich merkbar voneinander – eine Jakobs-Revolver klingt eben anders als eine Hyperion-SMG.
Deutsche Synchronisation mit David Nathan
Die deutsche Synchronisation kann als durchaus gelungen bezeichnet werden. FL4K wird von David Nathan gesprochen (bekannt als deutsche Stimme von Johnny Depp und Christian Bale), Moze von Dascha Lehmann und Zane von Charles Rettinghaus. Die englische Sprachausgabe ist mit Schauspielern wie SungWon Cho (FL4K) ebenfalls prominent besetzt.

Gameplay: Vier Vault Hunter und eine Milliarde Waffen
Spielerisch macht Borderlands 3 fast alles richtig, was man von einem modernen Looter-Shooter erwarten kann. Die vier neuen Vault Hunter bieten alle ihren ganz eigenen Spielstil:
Amara (Sirene): Perfekt für Nahkampf und Elementarkräfte
FL4K (Beastmaster): Ideal für Sniper mit tierischen Begleitern (Spiderant, Skag, Jabber)
Moze (Gunner): Kann den mechanischen Kampfanzug Iron Bear beschwören
Zane (Operative): Setzt auf Gadgets wie Hologrammklon und Barriere
Jeder Charakter verfügt über drei verschiedene Action Skills, zwischen denen man wechseln kann, ohne einen neuen Charakter starten zu müssen. Leider wirkt Zane deutlich schwächer als seine drei Kollegen und erfordert beim Endgame-Content deutlich mehr Aufwand.
Überwältigende Waffenvielfalt
Das Herzstück jeden Borderlands-Spiels ist und bleibt natürlich das Loot-System. Gearbox verspricht über eine Milliarde verschiedene Waffen, und tatsächlich ist die Waffenvielfalt beeindruckend. Neben den bekannten Herstellern wie Jakobs, Maliwan und Hyperion gesellen sich neue wie Atlas und COV (Children of the Vault) dazu:
Atlas: Waffen können Ziele markieren und selbstständig verfolgen
COV: Waffen überhitzen statt nachgeladen zu werden
Tediore: Waffen verwandeln sich beim Nachladen in kleine Roboter
Legendary Waffen sind deutlich häufiger geworden als in den Vorgängern, was einerseits für mehr Abwechslung sorgt, andererseits aber auch dafür, dass sie sich weniger besonders anfühlen.
Slide und Mantle als neue Mechaniken
Das Kampfsystem wurde behutsam weiterentwickelt. Neu sind die Slide- und Mantle-Mechaniken, die für mehr Bewegungsfreiheit sorgen. Jeder Charakter kann jetzt über niedrige Hindernisse klettern und rutschen, was die Kämpfe deutlich dynamischer macht.
Lineareres Spieldesign
Was beim Spielen aber auch auffällt: Borderlands 3 ist deutlich linearer geworden als sein Vorgänger. Während Borderlands 2 noch große, offene Gebiete mit versteckten Geheimnissen und optionalen Bereichen bot, führt uns Teil 3 meist auf recht geraden Pfaden von Punkt A zu Punkt B.
Endgame: Mayhem Modi ohne Raid-Bosse
Nach dem Durchspielen der Hauptstory (etwa 20-30 Stunden) erwarten den Spieler die sogenannten Mayhem Modi. Diese erhöhen sowohl die Schwierigkeit als auch die Qualität der Belohnungen, bringen aber auch teilweise sehr frustrierende Modifikatoren mit sich. Echte Raid-Bosse, wie sie Borderlands 2 auszeichneten, gibt es zum Launch praktisch nicht.
Fazit
Borderlands 3 ist ein Spiel der Widersprüche. Einerseits liefert Gearbox Software technisch den beeindruckendsten und umfangreichsten Looter-Shooter dieser Generation. Die Waffenvielfalt ist überwältigend, das Gameplay fühlt sich butterweich an, und rein mechanisch macht alles genau so viel Spaß, wie man es von einem Borderlands-Spiel erwarten kann.
Andererseits merkt man dem Spiel an, dass reine technische Verbesserungen nicht alles sind. Die schwächere Story, die nervigen Antagonisten und die deutlich linearere Spielwelt können nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier etwas von der Seele der Serie verloren gegangen ist. Wo Borderlands 2 noch mit unerwarteten Wendungen, cleveren Rätseln und einem charismatischen Bösewicht überraschte, spult Borderlands 3 ein bekanntes Programm ab – technisch nahezu perfekt, aber ohne die Leidenschaft und den Charme des Vorgängers.
Trotz aller Kritik ist Borderlands 3 aber definitiv ein empfehlenswerter Titel, der Fans der Serie und Looter-Shooter-Enthusiasten gleichermaßen unterhalten wird.
Bewertung: 7.5/10
Stärken:
- Über eine Milliarde verschiedene Waffen
- Vier einzigartige Vault Hunter (Amara, FL4K, Moze, Zane)
- Drei Action Skills pro Charakter wechselbar
- Neue Waffenhersteller Atlas und COV
- Tediore-Waffen werden zu Robotern
- Charakteristischer Cell-Shading-Stil verfeinert
- Unreal Engine 4 mit spektakulären Partikeleffekten
- Vier abwechslungsreiche Planeten (Pandora, Eden-6, Promethea)
- 25-30 Stunden Spielzeit
- Slide- und Mantle-Mechaniken
- Dynamischere Kämpfe
- Soundtrack von Jesper Kyd
- Prominente Synchronsprecher (David Nathan als FL4K)
- Satte, differenzierte Waffengeräusche
- Bekannte Charaktere kehren zurück (Lilith, Tannis, Marcus, Moxxi)
- Elementar-Schadenstypen visuell beeindruckend
- Mayhem Modi als Endgame
- Legendary-Drops häufiger
Schwächen:
- Story schwächer als Borderlands 2
- Calypso Twins nerven als Antagonisten
- Influencer-Parodie zu überzogen
- Ava als nerviger neuer Charakter
- Beliebte Charaktere zu wenig Screentime
- Deutlich linearer als Vorgänger
- Kaum Rätsel und Geheimnisse
- Zane deutlich schwächer als andere Vault Hunter
- Performance-Probleme auf Konsolen
- Framedrops auf Standard-PS4
- Split-Screen bei vier Spielern fast unspielbar
- Keine echten Raid-Bosse zum Launch
- Mayhem-Modifikatoren teilweise frustrierend
- Legendary-Waffen fühlen sich weniger besonders an
- Epic Games Store Exklusivität (PC)
- Verbindungsprobleme im Multiplayer
- Diverse kleinere Bugs zum Launch
Technische Daten:
- Entwickler: Gearbox Software
- Publisher: 2K Games
- Genre: Looter-Shooter / Action-RPG
- Plattformen: PlayStation 4, Xbox One, PC, Google Stadia
- Release: 13. September 2019
- Engine: Unreal Engine 4
- Spielzeit: 25-30 Stunden (Hauptstory + Nebenquests)
- Vault Hunter: 4 (Amara, FL4K, Moze, Zane)
- Planeten: 4 (Pandora, Eden-6, Promethea, Nekrotafeyo)
- Komponisten: Jesper Kyd, Michael McCann, Finishing Move Inc.
- Deutsche Stimme FL4K: David Nathan
- Altersfreigabe: USK 18










